Der Autor spricht sich für eine reduktive Moderne aus - also ein Zeitalter der Genügsamkeit, indem wir wenigen Privilegierten dieser Welt uns freiwillig von unserem überzogenen Luxus trennen, damit die Welt insgesamt eine Chance hat. Er sagt, die Zukunft wird nicht wie heute, nur ein bisschen nachhaltiger, sondern wirklich anders. Und es ist an uns, diese Zukunft zu gestalten - auch wenn uns das weh tun wird, weil wir uns im Verzicht üben müssen. "Grüner Konsum" ist für ihn keine echte Option, weil auch der Ressourcen verballert und Bedürfnisse neu erzeugt, die wir vorher weder hatten, noch vermissten.
Also geht es in Richtung Minimalismus: Weniger Konsum, weniger Mobilität, weniger Ansprüche, dafür mehr Achtsamkeit, mehr Zufriedenheit, mehr globale Gerechtigkeit. Schluss mit den jährlichen Urlaubsflügen, dem Freizeitshoppen, der Verschwendung von Lebensmitteln und Ressourcen.
Er sieht die Verantwortung ganz klar bei uns, den Konsumenten. Aus denen oft genug reine Käufer werden, weil wir die gekauften Produkte gar nicht mehr wirklich konsumieren, sondern ungenutzt wegwerfen: Das Essen vergammelt im Kühlschrank, das Küchengerät verstaubt im Schrank, die Bohrmaschine wird zweimal im Jahr für fünf Minuten genutzt, die Bodymilk angefangen und nie aufgebraucht. Das alles ist eine gigantische Verschwendung und dagegen ruft er zum Widerstand auf.
Interessanterweise sagt er auch, dass es ausreicht, wenn 3-5 % der Bevölkerung ein Thema, wie z.B. freiwilligen Verzicht leben, damit es aus der Nische kommt und seine Zugkraft in die Gesellschaft hinein voll entfalten kann und aus vermeintlichen Spinnern Vorbilder werden. Man denke nur an die 68er Bewegung, in der die Studis als gesellschaftliche Minderheit dieses Land total auf den Kopf gestellt haben! Diese besagten 3-5% sollten dafür idealerweise quer durch alle Gesellschaftschichten verteilt sein: Vom Politiker bis hin zur Reinigungskraft, damit Synergien entstehen und sich Verbündete mit unterschiedlichsten Fähigkeiten finden können. Also ist Vernetzung angesagt, um nicht mehr hinzunehmen, was eigentlich noch nie hinnehmbar war, sich gegenseitig zu stärken und Alternativen zu leben.
Tja, und dann steht man da, mit diesem Berg an Forderungen, an denen man nicht vorbeikommt, weil das Buch einen ganz direkt auffordert, etwas zu tun und sich nicht nur mit der Empörung zufrieden zu geben. Weil es aufzeigt, dass unser vermeintlich "grüner" Lebensstil nur in unserem Konsumkontext nachhaltig wirkt, global betrachtet aber immer noch in vielen Fällen eine Katastrophe ist. Dass die eigene Bereitschaft zu echtem Verzicht ziemlich schnell an ihre Grenzen stößt und sich die Frage stellt, was das über die eigene Person aussagt.
Gleichzeitig motiviert es auch, etwas zu tun, sich einzubringen, für die Zukunft zu kämpfen.
Es hat mich nachdenklich zurückgelassen. Denn es ist zweifellos sinnvoll, sich einzuschränken und bewusst auf Dinge zu verzichten. Und zugleich ist es sinnvoll, für Veränderungen auf politischer Ebene einzutreten, die tatsächlich einen großen Wirkkreis haben. Denn auf eine Google-Suche zu verzichten, weil sie vielleicht nicht unbedingt sein muss und so Energie gespart werden kann ist sicher ein Teil des Puzzles, löst bei mir aber ein Gefühl von Öko-Askese aus, deren tatsächlicher Nutzen wahrscheinlich in keinem Verhältnis zur gefühlten Bedeutung steht.
Denn es regt mich immer sehr auf, wenn ökologische Verantwortung nur an den Endkunden abgeschoben wird und die politischen Entscheidungsträger und Produzenten gleichzeitig ihre eigene Verantwortung nicht wahrnehmen, sondern sich auf freiwillige Absichtserklärungen beschränken, statt wirklich aktiv zu werden.
Gleichzeitig hat Harald Welzer schon recht, wenn er jede/n Einzelne/n anspricht und klar macht, dass wir nicht auf "die da oben" warten können, sondern unseren Teil beitragen müssen. Denn würde jede/r Internetnutzer täglich auf eine einzige Suchanfrage verzichten, könnten gigantische Menschen Strom gespart werden, insofern kann ich die Aufforderung Welzers, selbst aktiv zu werden, wieder gut nachvollziehen. Nicht warten, dass es jemand richtet, sondern selbst damit anfangen. Eigentlich ein ganz einfaches Prinzip.
Ich suche noch, was das Buch für mich bedeutet und welche Konsequenzen ich daraus ziehen werde. Denn das Buch hat ganz klar den Wunsch nach Engagement geweckt. Und weil es das so schön gemacht hat, möchte ich euch seine 12 Regeln für erfolgreichen Widerstand nicht vorenthalten:
1. Alles könnte anders sein.
2. Es hängt ausschließlich von Ihnen ab, ob sich etwas verändert.
3. Nehmen Sie sich deshalb ernst.
4. Hören Sie auf, einverstanden zu sein.
5. Leisten Sie Widerstand, sobald Sie nicht einverstanden sind.
6. Sie haben jede Menge Handlungsspielräume.
7. Erweitern Sie ihre Handlungsspielräume dort, wo Sie sind und Einfluss haben.
8. Schließen Sie Bündnisse.
9. Rechnen Sie mit Rückschlägen, vor allem solchen, die von Ihnen selber ausgehen.
10. Sie haben keine Verantwortung für die Welt.
11. Wie Ihr Widerstand aussieht, hängt von Ihren Möglichkeiten ab.
12. Und von dem, was Ihnen Spaß macht.
Quelle: Welzer, Harald: Selbst Denken - eine Anleitung zum Widerstand, S.Fischer, 2013, S. 293
6 Kommentare:
Ja, das Buch habe ich mir auch vor einiger Zeit besorgt. Es wirkte erst einmal sehr motivierend, hat dann aber irgendwie keine direkten Handlungs-Spuren hinterlassen. Aber eine vage Sehnsucht nach mehr Gemeinschaftlichem in meinem Leben. Meine derzeitigen kleinen Aufbrüche geschehen dann doch sehr unsozial, und nur im Blog gibt es Austausch darüber (immerhin!)
Vieles ist sehr auf städtisches Leben bezogen, sowohl in Welzers Buch als auch bei vielen anderen Initiativen, von denen ich höre/ lese.
(Btw: heute abend wäre ich übrigens antelefonierbar ;-))
Ach Mensch, ja, tut mir leid, ich hab grad irre viel um die Ohren, drum hat es bisher nicht geklappt. Für heute Abend hab ich mir den Alarm gestellt. Ich freu mich!
LG Zora
Hallo Zora!
Super tolle und vor allem zum Lesen anregende Rezension (die ich übrigens auf meinem neuen Zweitblog rebloggt habe).
Ich habe auch schon darüber gehört und auch gelesen, dass für eine Veränderung ausreichend ist, wenn so eine geringe Menge beginnt etwas zu verändern.
Darin liegt auch die Hoffnung unserer Zeit. Dies spiegelt sich meiner Meinung nach auch in der Bloggerszene wider.
lg
Maria
Ja, so wie das Thema Plastik-Bewußtsein die Runde macht ist es wirklich ein Grund zur Hoffnung!
LG Zora
Liebe Zora, danke für den tollen Artikel. Das Buch würde mich auch interessieren, ich werde es mal auf meine Downloadliste packen! Besonders dieser Absatz
"Er sieht die Verantwortung ganz klar bei uns, den Konsumenten. Aus denen oft genug reine Käufer werden, weil wir die gekauften Produkte gar nicht mehr wirklich konsumieren, sondern ungenutzt wegwerfen: Das Essen vergammelt im Kühlschrank, das Küchengerät verstaubt im Schrank, die Bohrmaschine wird zweimal im Jahr für fünf Minuten genutzt, die Bodymilk angefangen und nie aufgebraucht. Das alles ist eine gigantische Verschwendung und dagegen ruft er zum Widerstand auf."
Das ist so wahr!!! Ich habe in der Vergangenheit vor allen Dingen Kleidung gekauft, die ich im Laden toll fand und dann hing sie da, weil ich sie eigentlich nicht brauchte oder - Klassiker - ich sie nur an "besonderen Anlässen" anziehen wollte. Die dann nicht kamen. Traurig...
Freut mich, dass dich die Buchbesprechung neugierig gemacht hat. Ich trage meine "guten" Kleider mittlerweile echt oft im Alltag und find's toll, mich aufzubretzeln. So werden nämlich aus normalen Tagen besondere. Deswegen sind die Klamotten ja für Feiern u.ä. nicht plötzlich "schlecht" oder unwürdig, aber ich hab viel mehr davon.
LG Zora
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