Donnerstag, 10. Juli 2014

{p-free-j} Thekentalk

Darf man, oder darf man nicht? Wie ist das eigentlich mit den eigenen Dosen und der Theke?
Dazu habe ich mich investigativ an das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit gewendet. Und prompt zwei unterschiedliche Antworten bekommen. Aha.
Hygienevorschriften beim Einkauf mit eigener Dose
Antwort Nr. 1 von der Pressesprecherin:
"Der Lebensmittelunternehmer, im vorliegenden Fall der Einzelhändler, ist nach den Vorgaben des europäischen  Lebensmittelrechts (VO (EG) Nr. 852/2004), u. a. für die hygienisch einwandfreie Beschaffenheit seiner Betriebsstätte verantwortlich. Dies bedeutet auch, dass er verhindern muss, dass beispielsweise Krankheitserreger auf Arbeitsflächen oder an Entnahmebesteck gelangen. Auch wenn die Behältnisse, die Sie aus dem Privathaushalt für das Verpacken von Wurst, Käse oder Fleisch zur Verfügung stellen, optisch sauber aussehen, kann doch nicht ausgeschlossen werden, dass sich auf der Außenseite Krankheitserreger, beispielsweise Noroviren oder Salmonellen befinden, die dann beim Abstellen des Behältnisses unbemerkt auf die Theke und die Arbeitsflächen gelangen könnten. Gleiches gilt, wenn das Entnahmebesteck mit dem vom Kunden zur Verfügung gestellten Behältnis in Berührung kommt. Von Arbeitsflächen und Entnahmebesteck können evtl. Krankheitserreger im Betrieb weiter übertragen werden und auch auf verzehrsfertige Lebensmittel gelangen, man spricht dann von Kreuzkontamination.

Deshalb ist der Lebensmittelunternehmer gesetzlich verpflichtet, sofern er Mehrwegbehälter verwendet, diese vor der Verwendung selbst adäquat zu reinigen und entsprechend zu desinfizieren, um beispielsweise eine derartige Keimübertragung zu vermeiden (Art. 4 Abs. 2  i. V. m. Anh. II Kap.  X Nr. 1 i. V. m. Nr. 4 der VO (EG) Nr. 852/2004). Dies würde bedeuten, dass er das von der Kundschaft zur Verfügung gestellte Behältnis erst einmal selbst reinigen und desinfizieren müsste, was in der Praxis so nicht möglich ist. Vom (sauberen) Aussehen eines Gefäßes kann man ohnehin nicht auf eine evtl. vorhandene Keimbelastung schließen. Ein Schnelltestlabor steht jedoch dem Lebensmittelhändler kaum zur Verfügung. Deshalb lehnen viele Mitarbeiter an den Bedientheken eine derartige Vorgehensweise im Sinne des gesundheitlichen und vorbeugenden Verbraucherschutzes ab."

Bei dieser Antwort fand ich die Unterstellung interessant, der Bereich hinter der Theke sei keimfrei und sozusagen ein gelobtes Land der Lebensmittelhygiene. Interessant auch die Annahme, die Dose müsse zwingend hinter die Theke. Das stimmt aber ja nicht: Dose auf die Theke, Käse hinter der Theke abwiegen und in die Dose fallen lassen - mit dieser "Falltechnik" werden alle gesetzlichen Vorgaben erfüllt, was hier aber keine Erwähnung findet. Zusammengefasst war die Antwort also: Geht nicht, weil viel zu gefährlich!

Dann habe ich aber noch eine zweite Mail bekommen, diesmal von einem Dipl.-Ing. der "Spezialeinheit Lebensmittelsicherheit" (klingt das nicht voll gefährlich und cool und KSK9-mäßig?):
"Die Entscheidung, ob ein Verkauf von Ware in mitgebrachte Behälter erfolgt, liegt beim jeweiligen Lebensmittelunternehmer. Denn dieser ist verantwortlich für die Einhaltung der geltenden (europarechtlichen) Hygienevorschriften. Gem. Art. 3 VO (EG) Nr. 852/2004 stellen die Lebensmittelunternehmer sicher, dass auf allen ihrer Kontrolle unterstehenden Produktions-,Verarbeitungs- und Vertriebsstufen von Lebensmitteln die einschlägigen Hygienevorschriften dieser Verordnung erfüllt sind. Gem. Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Anhang II Kapitel IX Nr. 3 der VO (EG) Nr. 852/2004 sind Lebensmittel auf allen Stufen der Erzeugung, der Verarbeitung und des Vertriebs vor Kontaminationen zu schützen, die sie für den menschlichen Verzehr ungeeignet oder gesundheitsschädlich machen bzw. derart kontaminieren, dass ein Verzehr in diesem Zustand nicht zu erwarten wäre.

Die Ablehnung aus „hygienischen Gründen“ durch Mitarbeiter erklären wir uns als Wahrnehmung der beschriebenen Verantwortung und Ergebnis einer entsprechenden Risikobewertung seitens des Lebensmittelunternehmers."

Hier ist die Antwort also: Jeder Händler entscheidet selbst. Er muss die Hygiene der Lebensmittel garantieren können, wie weit er den Schutzkreis zieht, ist dabei aber seine Entscheidung. Wichtig ist hier das Wort "Risikobewertung" - und die kann nämlich unterschiedlich ausfallen.
Die Lebensmittel müssen für den menschlichen Verzehr geeignet und dürfen nicht gesundheitsschädlich sein - das ist die Vorgabe, alles weitere ist die Kür.
 
Ich fand es hoch interessant, dass die Antwort der Pressesprecherin negativ war, die des Mitarbeiters der Spezialeinheit hingegen viel mehr Spielraum gelassen hat. Ich halte mich also an die Einschätzung des Fachmannes, der sich bestimmt besser mit der Materie auskennt, als die Pressesprecherin, deren Antwort mit Schnelltests und Laborausrüstung doch sehr dramatisch ausgefallen ist.
 
Da die Lage also nicht so ganz eindeutig ist, erklärt sich auch, dass die Nutzung der eigenen Dose manchmal geht und manchmal eben nicht. Große Supermarktketten legen die Vorschriften extrem streng aus, um wirklich jedes denkbare und undenkbare Risiko auszuschließen. Kleine Läden und Händler auf dem Wochenmarkt neigen dazu, das Risiko kleiner einzuschätzen. Meistens bleibt die Dose eh auf der Theke, was ja eigentlich nirgendswo ein Problem ist, bei Supermärkten aber einfach nicht gemacht wird.
 
Also bedeutet der Satz "Wir dürfen aus hygienischen Gründen nicht." frei übersetzt: "Meine Chefs wollen nicht." Gut zu wissen, oder?

12 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Liebe Zora,

das deckt sich auch mit meiner Einschätzung aus dem Laden gestern, ist aber sehr interessant, die offiziellen Mails zu haben. Auch wenn es keine eindeutige Argumentation dafür liefert, dass es plastikfrei geht, kann ich in Zukunft bei kleineren Läden zumindest darauf verweisen, dass die EU Verordnung es nicht wörtlich vorgibt, dass eine mitgebrachte Dose nicht befüllt werden darf. :)

Alles Liebe
Dani

Zora hat gesagt…

Viel Erfolg dabei! Wobei man in den kleinen Läden üblicherweise eh keine Probleme hat.
LG Zora

Sonja hat gesagt…

Super das du dir die Arbeit gemacht hast und nachgefragt hast.
Lustig das du verschiedene Antworten darauf bekommst. Da könnte man davon ausgehen, dass die Verpackungsindustrie dahinter steckt. Umso mehr ihre eigenen Behälter mit bringen umso weniger Verpackungsmaterial wird benötigt!
glg
sonja

Anonym hat gesagt…

Hallo, interessant! Danke für deine Nachfrage!
Toll, die Annahme, hinter der Theke sei es Keimfrei! Ich habe gestern unseren Verkäufer hinter der Theke darauf hingeiwesen, dass. Sein altes ranziges Pflaster am Finger sehr unhygienisch ist im Gegensatz zu meiner Edelstahldose, in der er mir aus eben diese Gründen den Käse nicht geben wollte... ja, mit derVerpackung an der Theke bin ich bei uns bis auf den Stadt Markt leider sehr erfolgreich bisher... aber steter Tropfen... ich frage einfach täglich weiter, und jetzt habe ich ja auch deine zweite Mail da kann ich mir ein paar Argumente klauen!
Viele Grüße von der Zwergenmama

Anonym hat gesagt…

Sollte nicht erfolgreich heißen...:-) ich schaffe es also kaum,ohne Verpackung aus dem Laden zu gehen... Leider!

Zora hat gesagt…

@Sonja: Ich find's auch immer lustig, wie Hygiene zum heiligen Gral erklärt wird. Natürlich ist sie super wichtig und ich möchte sie (speziell im Lebensmittelbereich) nicht missen und zugleich denk ich mir oft, die sollten einfach mal die Kirche im Dorf lassen.

@Zwergenmama: Viel Erfolg beim streiten! Ich hab's einfach aufgegeben, weil die MitarbeiterInnen im Supermarkt eh nix zu sagen haben. Dafür genieß ich den Einkauf auf dem Markt umso mehr.

LG Zora

Anne Thorand hat gesagt…

Hej Zora,

danke für diese Info! Ich hab auch die Erfahrung gemacht, dass die eher kleinen, unabhängigen Läden da zu meinen Gunsten entscheiden (sprich in meinen Behälter abfüllen). Und wer´s nicht macht, bei dem kauf ich halt nicht mehr - wenn die sich das leisten können *g*

Zora hat gesagt…

Ha, genau so is' es! Ich versuch das einmal und wenn das nicht klappt, kauf ich dort nach Möglichkeit nicht mehr ein.
LG Zora

Knutselzwerg hat gesagt…

Hi, ich hab mal eine Frage zu der Glasdose. Ich suche gerade welche, aber die haben alle Deckel aus PP. Ist PP genauso schädlich wie anderer Plastik?
Lg Dani

Zora hat gesagt…

Liebe Dani, das kann ich dir gar nicht genau beantworten. Spontan gehe ich davon aus, dass in jedem Deckel Weichmacher drin sind, was schonmal grundsätzlich problematisch ist. BPA-frei ist schonmal ein tick besser, die Ersatzstoffe, die stattdessem drin sind, sind aber im Prinip vergleichbar. Bloß noch nicht so gut untersucht.
Ich habe tatsächlich auch noch keine transportfähige Glasdosen mit Glasdeckel gefunden, mein Mittagessen nehme ich daher im Weckglas mit. Für den Einkauf ist die Dose mit Plastedeckel für mich ok, weil die Lebensmittel in der Regel keinen Kontakt zum Deckel haben und nur ca. 15 Minuten in der Dose liegen.

Viel Erfolg bei der Suche nach der richtigen Dose für dich!

LG Zora

Anonym hat gesagt…

Danke, dass Du Dir die Mühe gemacht hast.

Scheinbar bleibt wirklich nur hartnäckig bleiben, weitersuchen bis man endlich gefunden hat - einen Laden, der flexibel und unbürokratisch ist.

lg
Maria

Kathi hat gesagt…

Ja, ich kenn das "Problem" wenn man den Coffee-To-Go gern im eigenen Becher haette ... lustigerweise: zwei teure Baeckereien/Konditoreien haben kein Problem damit, weil ja der Becher und die Kaffeemaschine keinen Kontakt haben sondern der Becher mit Abstand unter der "Tuelle" steht, waehrend die Kaffeetheke in der Uni das rigoros ablehnt ... versteh das wer will.